Samstag, 29. März 2014

Von Dubai nach Laos - Teil 2

Die Sonne geht auf; noch immer haben wir keinen Schlaf bekommen, werden ein wenig tranig. Der Flug bis nach Udon Thani nahe der laotischen Grenze dauert etwa eine Stunde.
"Da gibt's wohl nix zu essen...", murrt Holger.
Das fürchte ich auch.
Aber wir haben die Rechnung ohne Nok Air gemacht: Kaum sind wir über den Wolken, tänzeln die drei Thaidamen durch den Mittelgang und werfen jedem von uns ein kleines Nok-Fresspaket zu. Aufschrift: "Eat all. Leave no evidence." - Iss alles auf; keine Beweise hinterlassen.
Drin ist eine Art Puddingteilchen mit Wurst, dazu ein großer Becher Trinkwasser, dessen Deckel sich im Unterdruck der Kabine natürlich so nett wölbt wie Holgers Bauch.
Das Puddingwurstteilchen ist richtig lecker; man glaubt's kaum.
Und schon geht's wieder abwärts. Der Kamikazepilot denkt nicht daran, großartig zu verlangsamen: Mit affenartiger Geschwindigkeit setzen wir auf; sofort gibt der Mann am Knüppel vollen Gegenschub, die Maschine schüttelt sich wie ein Hund, wird nur unwesentlich langsamer, als der Kapitän das Blechschlachtross in eine scharfe Linkskurve zwingt. Wir driften elegant von der Landebahn und docken am Terminal an.
Ratzfatz geht das hier; kein stundenlanges Gefummel wie bei uns in Germanien.
Das Gepäck ist noch nicht da; also wieder ein Rauchversuch zum Zeittotschlagen.
Mist ! Ein bewaffeneter Militärpolizist achtet darauf, dass niemand von draußen ans Gepäckband kommt. Ich gehe hin, frage, ob er Englisch spricht. "No hep !" Also nicht.
Ich drücke in Zeichensprache aus: "Wir eben quarzen, dann wieder rein, obwohl verboten ?"
Der Soldat denkt einen Moment nach, grinst und antwortet in Zeichensprache: "Ab mit Euch !"
Wir rauchen, genießen die frische Kühle des Morgens.
Wieder am grinsenden und den "Daumen hoch" zeigenden Soldaten zurück zum Gepäckband, Rucksäcke geschnappt, für 200 Baht (keine 5 Euro) ein Minibusticket bis zur laotischen Grenze (wohl um die 100 km) gekauft, ab in den Bus, Angry Birds gespielt, ausgestiegen.
Oha ! Schon DEUTLICH wärmer.
Wir reisen aus Thailand aus, erwarten ein langwieriges Prozedere; wir sind halt Deutsche und kennen so etwas nicht anders.
Der freundliche Thai-Beamte sagt uns guten Morgen, knallt einen Stempel in den Reisepass und sagt uns Aufwiedersehen.
Fertig; keine 30 Sekunden.

Nun zum nächsten Bus, der uns für 20 Baht über eine längere Brücke bis nach Laos karren soll.
Eine Frau rennt uns hinterher: "You need photo for visa!"
Seit wann denn das ? Nö, needen wir nicht. Sie besteht drauf, dass doch. Holger besteht drauf, dass nicht.
Ganz sicher ist er sich allerdings nicht. Wir erreichen den Bus, Holger wird immer unsicherer... Foto oder nicht ? Wir sagen uns: Ok, wenn's Abzocke ist, haben wir 100 Baht, also etwas über 2 Euro, in den Sand gesetzt. Wenn's keine Abzocke ist, stehen wir drüben und kommen nicht rein.
Wir gehen zurück, lassen uns knipsen, erschrecken uns über unser Aussehen und steigen in den Bus, der sofort abfährt.
Nach fünf Minuten sind wir "drieben".
Neben einem ganzen Sack Jakobsmuscheln hocken wir uns auf eine zerfetzte Holzbank und füllen die Visa-Formulare auf einem zerfetzten Plastiktisch aus. Die Hälfte der Eintragsfelder verstehen wir nicht, lassen etliche Sachen einfach leer.
Wird schon schiefgehen.
Wir nähern uns dem Visa-Häuschen, das drei Fenster hat - zwei vorne, eins an der Seite. Alle drei mit dunkler Asitönungsfolie beklebt, so dass man nicht hineinsehen kann.
Fenster 1 öffnet sich, eine Hand greift die Dokumente, ich erhasche einen kurzen Blick auf das Gesicht des Beamten.
BAMM ! Fenster zu.
Wir stehen dann mal so rum.
Nach einer Weile öffnet sich Fenster 2. Derselbe Beamte erscheint und fordert 31 Dollar von jedem. Holger zahlt; und zwar mit 62 einzelnen Eindollarnoten. Ähmja...
BAMM ! Fenster zu.
Wir stehen dann mal so rum.
"Ob die sich wohl provoziert fühlen ?", fragt Holger, der sich wirklich ein bisschen Sorgen macht. Der hatte einfach keine größeren Scheine.
"Auf jeden Fall müssen wir uns nicht wundern, wenn wir ein paar Stündchen länger hier stehen.", meine ich.
Wir wundern uns beide: Fenster 3 öffnet sich, eine Hand reicht unsere Pässe mitsamt Visa heraus. Derselbe Beamte, der Herrscher über alle Fenster. Die Leute, die vor uns da waren und schon länger warten, warten noch länger. Wir wurden bevorzugt behandelt. Bestimmt wegen der Eindollarnoten.
Verkehrte Welt...
Ein freundlicher Thai quasselt uns an und meint, wir bräuchten ein Taxi. Er nennt einen guten Preis. Wir stimmen zu, wollen uns hinter den Einreisehäuschen wieder treffen.
Es gibt zwei Tore: Eins mit einer riesigen Menschenschlange davor, eins, vor dem kein Mensch steht. Wir nehmen das leere Tor und sind nach 5 Sekunden in Laos. Ein laotischer Polizist springt auf uns zu. MIST ! "PASSPORT !" - Wir zeigen den Ausweis, er grinst und winkt uns durch.
So einfach ist das ? So einfach ist das.
Wir lassen uns gen Vientiane gurken. Es ist heiß, wir sind hundemüde, wir dürften auch nicht gerade frisch duften.
Mein erster Eindruck von Laos: Sind wir schon da ?
Irgendwie sieht alles wie in Thailand aus, wie in etwas ländlicheren Gegenden, in denen hin und wieder ein Städtchen vorwitzig herumliegt. Zu kleinen Läden umfunktionierte Garagen, in denen die Unternehmer auch nächtigen, Schwadronen von Mopeds, quirliger Verkehr, bei dem einem angst und bange wird.
Same, same.
Wir fahren längs eines unverschämt breiten Flusses, der unseren mächtigen Rhein ganz locker ins Täschchen steckt. Der Mekong, der seine grünlich-braunen Fluten behäbig vor sich her wälzt. Ich sehe Seitenareale, die stark nach Überschwemmungsflächen aussehen. Was hier also so unverschämt breit auftritt, ist in der Regenzeit noch unverschämter, noch breiter. Ein Koloss von einem Fluss.

Der Fahrer setzt uns vorm "V Hotel" ab. Nebenan ist irgendeine Leitung gebrochen, es suppt kräftig über die Straße. Wir zehenspitzeln hinüber, bemüht, nicht in die mitgeschwemmten Küchenabfälle zu latschen.
Wir bekommen zwei Zimmer mit Balkon. Eins davon mit Aussicht auf den Mekong. Das kriegt Holger; schließlich wird er das Zimmer ja zu zweit bewohnen. Und ein romantischer kleiner Umtrunk auf dem Balkon mit Blick auf den Großvater aller Flüsse: Doch, so soll das sein.
Der Preis schockiert uns: 250.000 Kip, rund 25 Eurocken pro Nacht !
Wie bitte ? - Sind wir hier im Luxusresort gelandet ? Mit Poollandschaft, Hummer, Kaviar, Zimmerdiener und persönlichem Rückenkratzer ?
Nö. So gar nicht.
Die Zimmer sehen anfangs sehr vernünftig aus; glatter Steinplattenboden, Tropenholzbett mit im Kopfteil eingelassenen Spiegelflächen, Bad mit Warmwasserdusche und Balkon.
Und da geht's auch schon los: Der Balkon ist ein Singlebalkon. Mehr als eine Person passt da nämlich nicht drauf. Nein, wirklich nicht. Ich staune; nie hätte ich gedacht, dass es Balkone für Zwerge gibt. Gibts im V Hotel.
Die Klimaanlage gibt alles. Und nicht weniger. Denn eine Fernbedienung gibt es nicht. Nur Ein und Aus.
Das übliche Stromsparsystem, das einem in jedem Hotel auf den Zeiger geht: Der Schlüssel muss in einem kleinen Kontaktkästchen neben der Tür geparkt werden, damit es Strom gibt. Toll, wenn man sein Handy z. B. beim Frühstücken aufladen will; geht nicht.
Das Bad weist eine künstlerisch wertvolle Besonderheit auf: Ein fast faustgroßes Loch in der Decke, aus dem es tropft. So, dass sich am Boden schon ein kleiner Kalkstalagmit gebildet hat. Gleichzeitig fällt eine Invasionsarmee aus Insekten durch das Loch ein; es schwirrt und flattert überall. Falls ich das Zimmertelefons benutzte, würde ich mir eine fette Insektenleiche ins Ohr drücken; die klebt da nämlich. Das Bett sieht von unten richtig spannend aus: Chipstüten, Coladosen und vielerlei Interessantes mehr.
Im Bad finden sich ähnliche Kacheln wie im Hauptraum, mit feinen Löchern zwischen den einzelnen Fliesen. Und reichlich Schamhaare von irgendeinem Vorbewohner.
Beim Testduschen erwarten mich ungeahnte Herausforderungen: Sobald Wasser auf den Fliesen ist, werden die Dinger so dermaßen glitschig, dass ich mich nur mit absoluter Mühe auf den Beinen halten kann. Wie bei Blitzeis. Nein, nicht übertrieben.
Hinzu kommt, dass man in der Dusche gezwungen wird, sich auf dem Teflonboden flott zu bewegen. Die Dusche schaltet nämlich ständig zwischen brühheiß und arschkalt um. Nein, kein Mittelweg möglich, weder durch Regeln der Temperatur noch des Wasserdurchflusses. Glühendheiß, eiskalt, immer im schnellen Wechsel.
Ich springe immer ein Stück vor, dann ein Stück zurück, wieder vor, wieder zurück - und schaffe das Kunststück, mir dabei nicht sämtliche Gräten zu brechen.
Ich habe nämlich ein Handtuch auf den Boden gelegt. Sonst lägen meine Chancen bei exakt Null.
Das meiste Wasser läuft durch den Abfluss ab, der Rest durch die Ritzen zwischen den Fliesen. Vermutlich entsteht in der Etage unter mir die nächste Touristenattraktion; eine Tropfsteinhöhle.
Zwei gelbe Rohre, die mitten aus der Wand kommen und quer über den Boden des Bades verlegt wurden, erwecken meine Aufmerksamkeit: Das eine leitet das Kondenswasser meiner Klimaanlage in meine Dusche. Das Zweite das Kondenswasser aus dem benachbarten Hotelzimmer. Nachts werde ich einfach immer wieder gegen das Rohr klopfen und meinen Zimmernachbarn zur Weißglut treiben. Vielleicht lasse ich das aber.
Weil ich so nett bin. Und weil ich nicht weiß, ob nicht ein wahrer Kleiderschrank im ZImmer nebenan haust.
Da fällt Nettsein leicht.

Zwei Tage auf den Beinen, zwei Tage in denselben Klamotten.
Schnell unter die Heißkaltdusche, dann ab ins Bett, endlich schlafen.

Aber da haben wir die Rechnung ohne die Laoten gemacht...

Schickes Loch

Das gelbe Rohr vom Nachbarn

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