Mittwoch, 26. März 2014

Ein paar Dinge über Laos und Chaos

Hier ein paar Dinge, wie man vielleicht nicht in Reiseführern findet.

Ein wenig seltsam finde ich, dass Laos überall "Laos" heißt, das Wort "Laos" aber im Lande gar nicht existiert. Laos ist "Lao", sonst nichts.
Das Land heißt "Lao", die Menschen nennen sich "Lao" und die Sprache heißt "Lao".
Nix mit "s" dran.

Die Laoten haben zwei Haupthobbies: Essen und Trinken; besser: Fressen und Saufen.
Denn grundsätzlich geht es hier immer in Massen zur Sache.
Lädt Dich ein Laote zum Essen ein, kannst Du Dich auf riesige Mengen einstellen, die kein Mensch bewältigen kann. Viel Essen scheint hier ein Zeichen für Wohlstand zu sein. Und das selbst in der allerärmlichsten Hütte. Das Essen ist für die Laoten wie das iPhone für die Deutschen.

Etwas störend am laotischen Essen sind die Zutaten; Fleisch wird grundsätzlich "im Ganzen" verarbeitet. Man filetiert also nicht; wenn man schon praktischerweise ein totes Tier vor sich liegen hat, verwendet man einfach alles. Ja, alles.
So darf man sich nicht darüber wundern, dass man leckeren Pansen, Füße, Klauen und viel Darm im Essen findet. Sehr delikat auch: Gekochte oder gebratene Sehnen.
Nennen wir's einfach "ganzheitliche Ernährung".
Dann klingt's wenigstens gut.

Das Essen selbst ist wirklich reinste Geschmackssache: Es ist noch schärfer als das Thai-Essen, auch wenn man das eigentlich nicht für möglich hält. Es ist aber so.

Darum sei dem Durchschnittsdeutschen sehr, sehr warm ans Herz gelegt, auf die Frage "Spicy ?" keinesfalls mit "Yes" zu antworten. Er dürfte es schlicht nicht überleben.
Sichere Wahl: Klebreis ("sticky rice"). Der ist schön billig und nicht scharf. Alles andere schon.

Freunde der richtig scharfen Küche kommen voll auf ihre Kosten; und selbst hartgesottenen Schärfefanatikern wie mir und Holger bleibt mitunter auch nur die weiße Fahne zum Schwenken übrig.
Selbst ihr Bier würzen die Laoten mit Chilies. Ja, wirklich.

Apropos Bier: Ich nehme an, dass fast sämtliche Laoten Alkoholiker sind, einfach sein müssen. "Beerlao" wird immer und überall getrunken; zum Mittag- und Abendessen, zum Frühstück, jederzeit dazwischen, beim Autofahren (ja, beim Autofahren). Immer. Und immer bedeutet hier einfach immer.
Das kann ganz schön lästig werden, wenn man bereits früh am Morgen ungefragt ein Bier eingekippt bekommt, das man nicht ablehnen darf, wenn man den Spender nicht beleidigen will. Aber wer will schon morgens um 9 bereits die Lampe an haben - vor allem in Kombination mit der doch recht beeindruckenden Hitze: Heute hatten wir mehr als 50 Grad; das Thermometer in meinem Handy zeigt nur bis 50 Grad an.
Da freut sich der Kreislauf ganz gewaltig.
Die einzige Möglichkeit, dem Bierzwang zu entgehen: Man gibt an, gerade Antibiotika einzunehmen. DANN ist es ok, wenn man z. B. eine Cola trinkt.
Nur dann.
"Beerlao" ist so etwas wie der Stolz des ganzen Landes, das, was Laos in der Welt repräsentiert. Nicht wundern; bei eher armen Ländern ist das halt so. Wie der Fußball in Brasilien.
Auch sehr, sehr gern genommen: Whiskey wie "Lao-Lao" und alles andere, was ordentlich Umdrehungen hat. GANZ hoch im Kurs steht Johnny Walker; warum auch immer. Bei einer Hochzeit zum Beispiel kann der Bräutigam gleich wieder gehen, wenn er nicht mindestens zwei Flaschen "Black Label" mitbringt. Den bekommt man zur Belohnung, wenn man etwas Geld in einen kreisenden Topf wirft. Getrunken wird "auf ex", alle Gäste trinken übrigens aus demselben Glas, das zwischendurch natürlich nicht gespült wird.
Auch ist es keine Seltenheit, dass man von einer laotischen Dame am Tisch einen Eiswürfel ins Glas geworfen bekommt, den sie zuvor ausgiebig abgelutscht hat; scheint eine Art Kompliment zu sein.
Ich bekam schon so einige, ähm, Komplimente...

Davon abgesehen zeichnen sich Laotinnen durch einen etwas seltsamen Geschmack aus. "Falangs", also Ausländer, stehen unglaublich hoch im Kurs. Bisher ist mir kaum eine Laotin begegnet, die mich nicht mit dem Wort "handsome" bedachte und mit den Augen klimperte. Das gilt für weibliche und halbweibliche Laotinnen; also auch für die Ladyboys, die es hier reichlich gibt.
Dabei scheint es vollkommen egal zu sein, ob man sich überhaupt verständigen kann: Auch wenn das Gegenüber kein einziges Wort Englisch beherrscht, wird doch fast immer eine "Verbindung" angestrebt.
Das ist reichlich grotesk, denn:
1) Was will man mit einem Partner, mit dem man kein einziges Wort wechseln kann ? - Für mich das absolute NEIN-Kriterium. Für die Laotinnen nicht.
2) Nähere Kontakte zwischen Laoten und Falangs sind gesetzlich verboten, wenn nicht zuvor geheiratet wurde. Ich kenne das Strafmaß nicht, das hier mit Sicherheit von der Höhe des Bestechungsgeldes abhängt; aber Knast ist durchaus drin, sogar mehr als wahrscheinlich.

Apropos illegale Dinge...
Wer in Vientiane, der Hauptstadt Laos', nach bestimmten Dingen lechzt: Alles, wirklich alles bieten die freundlichen Tuktuk-Fahrer dem aufgeschlossenen Besucher an.
Mir werden täglich die dollsten Leistungen angeboten: Von Marihuana über Opium bis zu Heroin, ganz offen auf der Straße. Die Tuktuk-Jockeys zücken sogar kleine Tütchen und halten sie mir unter die Nase. Mitten auf der Straße. Obwohl übelste Strafen auf Drogenbesitz und -handel stehen; bis zur Todesstrafe.
Überdies werden "Special Massages" angepriesen; wahlweise mit Laotinnen oder Thaimädchen. Oder mit beiden gleichzeitig.

Wer in Vientiane etwas sucht - die Tuktuk-Fahrer haben's.
Allerdings scheinen die Herren keine Gedächtniskünstler zu sein. Einige begrüßen mich mittlerweile mit meinem Vornamen; wir rauchen dann eine Kippe zusammen und reden belangloses Zeug. Aber immer wieder werde ich gefragt, ob ich nicht Interesse an Opium, Heroin und einem ganzen Stall voller Mädchen hätte; obwohl ich von Anfang an ablehnte. Meinen Namen können sich die Jungs also durchaus merken. Meine Abneigungen offensichtlich nicht.

Generell erinnert Vientiane stark an sämtliche sonstigen Touristikzentren der Gegend: Ob es Patong "Beton" Beach auf Phuket ist, das Viertel rund um die Khaosan Road in Bangkok oder halt Vientiane in Laos: Die Unterschiede sind gering. Überall sehr ähnliche Angebote, überall nervige Tuktuk-Fahrer, und mittlerweile gibt es auch in Vientiane die ersten 7-Eleven-Derivate, die hier "M-Point" heißen, aber noch nicht mindestens 25 Stunden pro Tag geöffnet haben.
In den kleinen Supermärkten bekommt man fast alles, was das Herz begehrt. Den Rest halt bei den Tuktuk-Matadoren.

Ladyboys
Ja, auch in Laos gibt es reichlich "Ladyboys" - also Leute, die oben wie Frauen, unten wie Männer aussehen. Kennt man aus Thailand.
Ladyboys sind so gut wie immer Prostituierte; und wer auch nur einmal nachts allein durch die Straßen Vientianes latschte, wird fast garantiert deren Bekanntschaft gemacht haben: In Laos endet die Geschäftigkeit auf den Straßen etwa zwischen 22 und 23 Uhr. Wer danach noch allein unterwegs ist, wird als Freiwild für die Ladyboy-Geschwader betrachtet, die auf ihren Mopeds im Viertel patrouillieren und sich gezielt auf den nichtsahnenden Falang stürzen.
"Ohhhh, you handsome !" lautet der Schlachtruf. Bleibt man stehen, wie ich es natürlich machte, nehmen die Ladyboys gleich Tuchfühlung auf. Seltsamerweise wurde mir fast immer an die Oberarme gefasst.
Die Ladyboys schauen einen dann fast schmachtend an; und fieserweise gibt es Exemplare, die richtig gut aussehen, bei denen höchstens die Stimme verrät, dass es sich nicht um eine Frau handelt. Die bisher schönste Laotin, die ich sah, war ein Ladyboy. Kein Witz.
Allerdings war es auch genau dieser Ladyboy, der mir beim Ansprechen gleich in den Schritt packte.
Loswerden ist nicht ganz einfach, die Jungs sind sehr hartnäckig. Bei jedem "No, thank you" sinkt der Preis der angebotenen Dienstleistungen. Eine sexuelle Erfahrung der besonderen Art ist schon für 40.000 Kip, also rund 4 Euro, zu kriegen.
Das Interesse erlahmt erst dann ein wenig, wenn man erklärt, verheiratet zu sein, die Frau im Hotelzimmer wartete. Dann schalten die Ladyboys noch kurz auf Plan B um: Oral für ein paar Cent. Wenn man dies dann auch noch ablehnt, kommt man wieder frei.
Ich wurde von etlichen Ladyboys angesprochen; auch tagsüber. Es schadet nicht, sich ein bisschen mit den Jumädels zu unterhalten; immer interessant, auch mal ganz andere Leute kennenzulernen. Und wenn man dabei freundlich bleibt, nach der Absage noch ein Kompliment macht, lachen die Jungs - man sieht ihnen ihre Freude förmlich an.
Dann lassen sie einen auch mit guten Wünschen und netten Worten ziehen, statt einem ein paar saftige Flüche hinterherzujagen.

Noch etwas mehr zum Thema: Manche Hotels haben Balkons. Da sitzt man dann gerne noch etwas in der Nacht; Luft schnappen, noch ein Bier trinken oder eine Kippe rauchen.
Ungestört bleibt man dabei jedoch nicht: Sobald ein Ladyboy Falang-Beute auf einem Balkon erspäht, ist's vorbei mit der Besinnlichkeit.
Dann bölkt der Fraumann von unten herauf: "Heeee, man ! Come down ! Love you !" und so.
Und das kann STUNDEN dauern; kein Witz. Das habe ich bei uns vor dem Hotel beobachtet; der Gute stand bestimmt zwei Stunden auf der Straße und rief und rief und rief. Zum Glück nicht nach mir. :)

Laotische Frauen
Eigentlich kann ich dazu nicht viel sagen, da ich mich nie mit einer Laotin einließ. Aber ich will es dennoch versuchen.
Wer Thaifrauen kennt, der kennt auch Laotinnen. Hier sehe zumindest ich so gut wie keine Unterschiede; sowohl vom Aussehen als auch vom Verhalten. Einen kleinen körperlichen Unterschied gibt es jedoch: Laotische Frauen haben einen runderen Hintern und breitere Hüften; das fiel mir immer wieder po-sitiv auf.
Generell zeigen sich Laotinnen sowohl aufgeschlossen als auch sehr zurückhaltend Falangs gegenüber.
Bei einer Feier wurde ich von etlichen Laotinnen bestürmt und fast auf die Tanzfläche gezerrt. Die sagen dann auch beim ersten Blickkontakt bereits, dass sie Dich am liebsten abschleppen würden. Zumindest wurde mir das immer so übersetzt; denn Englisch sprechen Laoten so gut wie gar nicht. Deutsch ? Guter Witz. :)
Andere Damen sind extrem schüchtern; senken den Blick und erröten, wenn man sie anschaut.
Zwei Extreme gibt's also. Dazwischen aber anscheinend nichts. :)

Großer Fehler
Wer in Vientiane herumhängt, wird früher oder später auch dem Pflichtgefühl nachgeben, das immer wieder verkündet: "He, Du warst noch nicht direkt am Mekong. Musste aber, gehört sich so !"
Eines Tages geht man dann.
Der Mekong liegt hinter einem Damm herum. Man steigt durch Büsche, Gestrüpp und immense "Haufen" mit noch immenseren Fliegenschwärmen darauf hinab, gelangt dann auf eine Art Ebene, die zur Regenzeit überschwemmt wird. Hier läuft man wie auf Tonscherben; es klimpert und tönt unter den Schuhen. Von der Sonne hart gebrannter Schlamm, den die letzte Überschwemmung frei Haus lieferte.
Der Scherbenboden geht in Sand über, auf dem es sich noch schlechter laufen lässt. Und nach ein paar Minuten Latscherei fallen einem zwei Dinge auf: 1. Es ist verflucht weit bis zum Ufer; deutlich weiter als geschätzt. 2. Die Sonne BRENNT, es ist unglaublich heiß. Auf der Ebene steht die Luft, der mit Milliarden golden schimmernden Körnchen durchsetzte Sand reflektiert die Hitze. Man kennt doch diese Filmszenen, bei denen der Held durch die Wüste torkelt; schweißüberströmt, rissige Lippen - und alle paar Sekunden wird mit gefährlicher, kakophonischer Musik untermalt eine riesige Sonne eingeblendet.
GENAU SO fühle ich mich. Unglaublich, diese Hitze. Und kein Schatten, rein gar nichts. Nur niedrige Büsche, keine Bäume, einfach nix.
Auf den letzten paar hundert Metern murmele ich nur noch "Scheißidee, SCHEISSIDEE" vor mich hin, will aber nicht umkehren; der Ehre wegen.
Ich erreiche keuchend das Ufer, muss mir ständig den Schweiß aus den Augen wischen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können.
Das Wasser sieht aus wie das Wasser von Vater Rhein, in dem man angeblich Filme entwickeln kann; also unappetitlich grünlich-braun. Schwimmen möchte ich darin ganz bestimmt nicht.
Außerdem würde das Herauskommen zum echten Problem: Der Mekong fließt hier in einem Bett, das gute drei, vier Meter unterhalb der Ebene liegt; die Wände sind fast senkrecht. Nein, hier möchte ich NICHT in den Mekong fallen. Obwohl das kühle Wasser dermaßen verlockend ist.
Ich leere die mitgebrachte Flasche mit irgendeinem isotonischen Getränk, dessen Temperatur mittlerweile an frisch gebrühten Tee erinnert. Es verdunstet auf meiner Zunge. Wirkung null.
Ich muss zurück, ehe mich hier der Hitzschlag hinwegrafft.
Wie kann das hier so extrem heiß sein ? Ich konzentriere mich auf das pure Gehen, setze einen Fuß vor den anderen, schaue nicht nach vorne, will nicht sehen, wie weit der Damm noch entfernt ist. Die Latscherei nimmt einfach kein Ende... Soll ich kurz Pause machen ? NEIN ! Dann stehe ich nie wieder auf. Es ist so unglaublich heiß, ich spüre meinen Herzschlag bis in den Kopf.
Da, der Damm, die Treppe mit den Riesenstufen. Ich komme die Stufen kaum hinauf. Bin oben, immer noch in der prallen Sonne. Mein T-Shirt ist nicht mehr hellgrün, sondern komplett dunkelgrün, es gibt keine trockene Stelle mehr.
Ich keuche wie eine Dampflok, die seit 200 Jahren nicht mehr gewartet wurde, der Herzschlag dröhnt im Kopf, die Sonne brennt. Immer noch kein Schatten, kein Lüftchen regt sich. Ich schleppe mich über die Straße, schaue mich fast schon panisch um; nirgends Schatten...
DA ! Ein Hinweisschild ! Wenn ich mich ein paar Meter dahinter auf den Boden fallen lasse, könnte ich meinen Kopf in den Schatten bekommen. Ich ziele auf die Mitte zwischen den zwei Schildern, denn ich sehe mittlerweile doppelt.
Angekommen, auf den Boden ! Platsch; ich liege.
Der Schatten nützt irgendwie nichts. Mir kommt es vor, als würde es immer heißer.
Dann eine massive Halluzination: In weiter Ferne sehe ich Blau und Rot, meine den Schriftzug "Pepsi" zu erahnen ! Ein Restaurant ! - Realität oder Einbildung ? Egal; ich quäle mich stöhnend auf die Füße, torkele in Richtung Pepsi-Oase und in Schlangenlinien schnurstracks geradeaus.

Ich erreiche das Gebäude. Das Pepsi-Schild ist immer noch da; keine Halluzination, fast möchte ich es berühren, um mir ganz sicher sein zu können.
Ich schwanke in das Restaurant, falle auf eine Holzbank, die nach ein paar Sekunden klitschnass vor Schweiß ist. Eine Kellnerin eilt herbei, sieht mich mit suppentellergroß geweiteten Augen an: "You thirsty ?"
Nein, ich gebe keine ironische Antwort, sondern sage "YEEEEEES !!! Cola, please ! With ice !!!"
Zwei Minuten, die sich zu einer Ewigkeit dehnen. Dann steht die Flasche vor mir, das Geschenk Gottes. Unbeschreiblich das Gefühl in den Händen, der erste Schluck, das Rauschen in der Kehle, als die eiskalte Koffeinbrause stechend kalt in meinen Magen flutet.
Das ist das Paradies, Nirwana, Shangri-La. Zeitlose Glückseligkeit. Für 6000 Kip.
Nach einer Viertelstunde kann ich wieder normal sehen, meine Atemfrequenz normalisiert sich, der Puls sinkt.
Ich zahle und mache mich wieder gen Hotel auf. Und grinse über die Blicke der Leute, die allesamt wie magisch von meinem Schwamm-T-Shirt angezogen werden.

Also: Lasst das mit dem Mekong. SCHEISSidee. :D

Mekong-Ebene

Mekong - irgendwie wenig spektakulär, nicht wahr ?

Tonscherbenboden - jeder Schritt ergibt einen Klang

Scheißidee. SCHEISSIDEE !!!

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